Wo man sich im Herzen Wiens wie auf einer Luxusyacht fühlt. Was Mode mit Umweltschutz und Tierwohl zu tun hat. Und wie Wiener Kaufleute für Weihnachtsstimmung sorgen.
Michael Sicher: „Zur Brieftaube“ ist ein Familienunternehmen in fünfter Generation. Wie war sein langer Weg seit der Gründung 1860 bis heute? Und was hat es mit der Brieftaube auf sich?
Marie-Béatrice Fröhlich: Das Unternehmen wurde von meinem Ururgroßvater gegründet. Ursprünglich also sogenannte „Pfaidlerei“, in der Hemden und Weißwäsche, wie Hochzeits- und Babyausstattungen, hergestellt wurden. Es ging immer nur um Textil, nie um Brieftauben oder andere Tiere. Mein Urgroßvater züchtete Brieftauben eine Zeitlang nur als Hobby. Daher stammt unser Name. Wir sind also ein Textileinzelhandelsurgestein der Wiener Stadt und haben uns im Laufe der Zeit entwickelt, wie der Modemarkt auch. Von der Weißwäsche ging es zum Modebereich, zur Damen-, Herren- und Kindermode.
Vor etwa 30 Jahren hat mein Vater begonnen, Monomarkenstores aufzubauen, als das noch gar nicht so bekannt und im Trend war. Er hat sich damals gefragt: „Mit welchen Marken arbeiten wir besonders gut zusammen?“ Dann haben wir mit eben diesen Franchise-Stores eröffnet. Über die Zeit hat sich herauskristallisiert, dass es bei unserer Größe einfach es besser war, Geschäfte mit nur einer Marke zu betreiben. Damit können wir die ganze Markenwelt, die Philosophie viel besser präsentieren. Jetzt sind wir aktuell mit einem Geschäft am Graben vertreten, dem Paul & Shark Store.
Michael Sicher: Paul & Shark ist eine italienische Marke mit starkem Bezug zum Meer. Wie passt sie zu Österreich, einem Land ohne Meer?
Marie-Béatrice Fröhlich: Das passt sogar wahnsinnig gut, weil das Meer, glaube ich, eine Sehnsucht vieler Menschen ist, die nicht dort wohnen. Zu uns ins Geschäft zu kommen ist immer wieder eine Art Kurzurlaub, um diese Sehnsucht ein wenig zu stillen. Der Store ist wie eine Luxusyacht eingerichtet, vom Design bis zum siebenfach lackierten Nussholz. Das ist etwas ganz Besonderes. Dadurch bekommt man tatsächlich das Feeling, als sei man auf einer Yacht.
Mit dem Unternehmen hinter der Marke Paul & Shark, das 1921 als Strickerei gegründet wurde, arbeiten wir fast seit meiner Geburt zusammen, also seit den Siebzigerjahren. Es hat immer schon Strickwaren vor Ort in Italien produziert. 1975 hat das Unternehmen, übrigens auch ein Familienbetrieb, die Marke Paul & Shark geschaffen. Wieder stand ein Tier im Mittelpunkt. Der Hai, als Symbol für die Stärke, für das Meer. Paul ist der Vorname des Gründers, Paolo Dini. Unsere Philosophien decken sich weitgehend und wir arbeiten seit Jahrzehnten sehr gut zusammen.
Michael Sicher: Was ist das Besondere an einem Familienunternehmen, was sind die Herausforderungen?
Marie-Béatrice Fröhlich: In einem Familienunternehmen verschwimmen Unternehmen und Familie. Das eigene Unternehmen ist immer präsent, die Gedanken daran immer da. Gerade in den letzten zwei Jahren, die aufgrund von Corona wirklich eine schlimme Krise für uns alle waren, war es natürlich auch schwieriger, einfach mal abzuschalten. Mein Leben ist meine Familie. Mein Leben ist aber eben auch das Unternehmen.
In Familienbetrieben ist oft die generationsübergreifende Zusammenarbeit eine Herausforderung. Das war bei uns eigentlich nie ein Problem, mein Vater war immer sehr offen. Ich habe schon mit 16 Jahren angefangen in den Ferien im Betrieb zu arbeiten und bin nach dem Studium voll eingestiegen. Es war immer eine Zusammenarbeit, die von sehr viel gegenseitiger Wertschätzung und Respekt geprägt war. Natürlich war man nicht immer der gleichen Meinung. Das ist auch gut und wichtig so. Mein Vater hat das gefördert und mich gefordert. Aber wir haben uns immer gut geeinigt. Im Interesse der Familie, im Interesse des Betriebs. Als Familienbetrieb hat man eine andere Perspektive. Man denkt auch an die nächsten Generationen.
Michael Sicher: Wie schaffen Sie es sich zu entspannen?
Marie-Béatrice Fröhlich: Wenn ich die Zeit habe, gehe ich gern einen Kaffee trinken, so wie wir jetzt im Café de l'Europe am Graben. Ich bin dankbar dafür, in der Wiener Innenstadt arbeiten zu dürfen. Jeden Tag sehe ich die vielen Besucher, die extra anreisen, um all das hier zu erleben. Dann mache ich mir bewusst: Ich darf jeden Tag über den Graben gehen, den Kohlmarkt, die Kärntner Straße. Das ist einfach wahnsinnig schön. Auch in der Früh über den Radweg am Ring in die Arbeit zu fahren, ist der pure Luxus. Man muss sich immer wieder umschauen und es genießen. Ich lasse solche kurzen Momente bewusst auf mich wirken. Das ist wichtig, damit man für diese ganzen Schönheiten nicht blind wird und sie nicht mehr wahrnimmt. Das finde ich sehr genussvoll und ich schalte dabei auch ein bisschen ab.
Und zu Hause lautet mein Entspannungsrezept gute Musik, ein feines Glas Rotwein und das Zubereiten einer köstlichen Mahlzeit für meine Familie.
Michael Sicher: Um wieder auf die Mode zu kommen. Wie ist der Weg vom Design bis in ihr Geschäft?
Marie-Béatrice Fröhlich: Bei Paul & Shark wird jedes Modell, jedes Design vom Eigentümer nach wie vor persönlich freigegeben. Er ist selbst viel vor Ort in der Fabrik in Varese, einer Stadt im Norden von Mailand. Dort wird das alles entworfen und sofort ein Prototyp genäht. Die Arbeiten für die Kollektionen beginnen gute eineinhalb, zwei Jahre zuvor. Die Winterkollektion beispielsweise, kaufe ich ein Jahr vorher.
Es geht darum, immer wieder neue Impulse zu setzen, wieder Lust auf etwas zu machen. Menschen Lust zu darauf machen, sich selbst zu verwöhnen und sich zu sagen: „Ich tue mir etwas Gutes. Ich gehe in ein Geschäft und habe eine nette Zeit, ein nettes Gespräch.“ Das ist, gerade jetzt nach Corona, Menschen sehr wichtig. Noch wichtiger als früher. Oder sie haben es jetzt mehr schätzen gelernt. Wir sind im Lockdown auf WhatsApp-Verkaufsberatung, Videocalls, Online-Store und so weiter ausgewichen. Aber natürlich schätzen die Menschen das persönliche Gespräch mehr – und wir auch. Das ist die Stärke und sogar die Daseinsberechtigung des stationären Einzelhandels. Wir haben Menschen, die dahinterstehen und diesen Service persönlich vor Ort bieten.
Michael Sicher: Wie hat der Onlinehandel das Einkaufen beeinflusst? Nehmen sich Menschen noch die Zeit in ein Geschäft zu kommen?
Marie-Béatrice Fröhlich: Man darf als Einzelhändler nicht beim Konzept stationäres Geschäft stehen bleiben. Die Frage muss lauten: Wie bringe ich die digitale Welt in meinen Laden? Ein Online-Store rechnet sich nicht für jeden, aber man kann sich überlegen, wie man verkauft, wenn die Kundschaft nicht ins Geschäft kommen kann. Zum Beispiel Kundenberatung am Telefon, per Videocall. Das hat bei uns super funktioniert. Wir haben einen Online-Store aufgebaut, als die Geschäfte zugesperrt wurden. Einen Monat später war er online. Ein besonderer Online-Store, in dem man nicht einfach bestellt und kommentarlos die Sachen bekommt. Sie bestellen und bekommen von uns einen Anruf oder eine E-Mail, sodass auch hier ein Verkaufsgespräch und eine Beratung zustande kommt. Dadurch haben wir fast keine Retouren. Ich denke, jeder Händler findet etwas, das zu ihm passt.
Was sich definitiv geändert hat ist, dass man in einem stationären Geschäft den noch besseren Service bieten muss. Welchen Wunsch haben die Kunden, dessen sie sich vielleicht noch gar nicht bewusst sind? Warum betreten sie überhaupt mein Geschäft? Sie kommen nicht für einen Pullover oder ein Hemd. Sie suchen zwar vielleicht ein Kleidungsstück, aber sie haben auch ein Bedürfnis nach einer sozialen Interaktion, nach Kommunikation, nach Beratung. Das muss man einfließen lassen und wirklich ein ganz persönliches Einkaufserlebnis bieten. Die Kundschaft ist heutzutage wahnsinnig gut informiert, recherchiert oft schon vorher, hat sich Vor- und Nachteile überlegt. Wir im Verkauf müssen deshalb mit Fachwissen, Service und persönlicher Beratung ein Einkaufserlebnis bieten, das der Kunde online eben nicht findet.
Michael Sicher: Was macht gute Mode aus?
Marie-Béatrice Fröhlich: Gute Mode sollte durch Qualität, durch gutes Design, durch Langlebigkeit überzeugen. Lieber etwas mehr in einen Artikel investieren, als viele Dinge kaufen, die man am Ende des Tages entsorgt. Wenn man sich überlegt, wie viel Arbeit dahintersteckt, bis ein Stück vom Entwurf im Geschäft ist, Qualität und Wertigkeit in die Waagschale wirft, dann hat man für Mode eine völlig neue Wertschätzung.
Natürlich gehört dazu, dass es unter guten Arbeitsbedingungen nachhaltig produziert ist. Die Textilbranche hat diesbezüglich leider derzeit ein ziemlich durchwachsenes Image. Aber das beginnt sich ganz massiv zu ändern. Es passiert extrem viel in Richtung Recycling und Produktionsmethoden, die unsere Umwelt weniger belasten. Unsere Daunenjacken sind beispielsweise zu einem Teil aus recycelter Daune von Polstermöbeln und Matratzen oder anderen Kleidungsstücken. Das ist in der Produktion sogar fast teurer, aber es ist wichtig und richtig. Wir führen Produkte, die teilweise Garn, welches aus recycelten PET-Flaschen gewonnen wird, enthalten. Paul & Shark ist sehr in den Schutz der Meere involviert und hat so zum Beispiel ein hochwertiges Material, Econyl, geschaffen, das aus Nylon besteht, das im Meer gefunden und in einem Recyclingverfahren regeneriert wird. Nachhaltigkeit und Umweltschutz haben einen ganz großen Stellenwert. Es gibt auch den Shark-Trust, eine Organisation, die sich dem Schutz der Haie verschrieben hat, und von Paul & Shark mitgegründet wurde und mitfinanziert wird. Die bei uns verarbeitete Wolle kommt von einer speziell tierfreundlichen Farm in Tasmanien. Von der Haltung der Tiere bis zum Scheren wird in jedem Bereich mit Achtung vor den Tieren gearbeitet.
Ganz allgemein haben jetzt entlang des gesamten Produktionsprozesses Nachhaltigkeit und Ökologie jene Werte zu sein, an denen man sich orientiert.
Michael Sicher: Ein ganz besonderes Flair hat die Innenstadt zur Weihnachtszeit. Sie haben dafür sogar ein Weihnachtskonzert organisiert. Wie kam es dazu?
Marie-Béatrice Fröhlich: Die Weihnachtsbeleuchtung gibt Wien einen ganz besonderen Charme. Am Graben hat man zum Beispiel das Gefühl in einem Ballsaal zu sein, am Kohlmarkt wirkt sie wie ein Himmelszelt. Die Kaufleute der Innenstadt, die nach Straßen organisiert sind, organisieren die Weihnachtsbeleuchtung und finanzieren die Hälfte – die Unternehmer nehmen also Jahr für Jahr viel Geld in die Hand, um die Stadt erstrahlen zu lassen. Den Rest steuern Stadt Wien und Wirtschaftskammer bei. Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass wir in Wien so eine prachtvolle Weihnachtsbeleuchtung haben. Wir verdanken sie den sehr engagierten Kaufleuten. Man weiß gar nicht, wie groß der Aufwand dafür ist. Die Montagearbeiten beginnen schon m Oktober und dauern sechs Wochen. Am 12. November wird dieses Jahr wieder eingeschalten.
Um die Koordination zwischen den Straßen noch zu verstärken und gemeinsame Veranstaltungen durchzuführen, habe ich die Plattform Wien (m)Eins gegründet, die auf Facebook und Instagram eine Community aufgebaut hat (@wieneins). Losgegangen ist es mit der Eröffnung der Weihnachtsbeleuchtung vor drei Jahren. Dafür habe ich ein großes Konzert ins Leben gerufen. Weil es einfach schade war, dass wir so viel Arbeit und Geld in die Weihnachtsbeleuchtung stecken und sie einfach nur aufgedreht wurde. Mir war es ein Anliegen, diesen Moment bewusst und gemeinsam mit allen Straßen im 1. Bezirk zu gestalten. Wenn man am Stock-im-Eisen-Platz steht und zur gleichen Zeit plötzlich in allen Straßen sternförmig die Weihnachtsbeleuchtung erstrahlt, dann ist das ein sehr schöner und auch sehr emotionaler Moment. Und ich finde, wo Emotionen sind, gehört Musik dazu. Mein Mann ist Musiker und Sänger. Dadurch bin ich da etwas vorbelastet. Es war sehr schön mit den Chören zu arbeiten und ich hoffe auch, dass wir das in Zukunft wieder schaffen werden.
Für heuer haben wir uns ein hybrides Konzept ausgedacht. Online und vor Ort in den Straßen wollen wir die Menschen verzaubern und für die Wiener Innenstadt begeistern. Ich freue mich sehr, dass ich heuer 11 Innenstadt Grätzl zur Teilnahme gewinnen konnte. Es gibt ab 24. November eine breit angelegte Kampagne auf den Social Media Kanälen von @wieneins und an den Weihnachtssamstagen haben wir einige Überraschungen für unsere Besucherinnen und Besucher in den Einkaufsstraßen vorbereitet.
Michael Sicher: Wenn Sie Besuch haben, was zeigen Sie ihm in Wien?
Marie-Béatrice Fröhlich: Natürlich die Innere Stadt. Weil es einfach wunderschön ist, durch die prachtvollen Straßen zu gehen. Aber auch durch die kleinen Gassen und besonders in die vielen Innenhöfe. Zum Beispiel in den Heiligenkreuzerhof. Es gibt auch ganz tolle Führungen, um die Hinterhöfe von Wien zu entdecken. Ich liebe auch das Franziskanerviertel, den Franziskanerplatz, dort geht es immer etwas gemächlicher als im Rest der Stadt zu. Ich mag die Wollzeile, weil sie viele kleine, nette Geschäfte hat. Das Börse-Viertel mit den vielen Einrichtungshäusern. Kohlmarkt, Graben, Kärntnerstraße. Das sind die „Wow-Plätze“. Zu Weihnachten schon allein wegen der Weihnachtsbeleuchtung ein „Must See“.
Generell ist es am schönsten, sich einfach treiben zu lassen und wirklich ganz bewusst die kleinen Nebengassen zu erleben. Da gibt es viele schöne, kleine, intime Orte, die man so vielleicht noch gar nicht kennt und kleine inhabergeführte Boutiquen, mit ganz besonderen Sortimenten.
Neben dem riesigen Shopping Angebot an Marken und Geschäften, bietet die Innenstadt auch eine reiche Auswahl an Lokalen fürs körperliche Wohl. Ständig sperren neue Restaurants, kleine Bars und Cafés auf. Diese zu entdecken, zahlt sich immer aus. Ich habe letztes Jahr das Fenstercafé in der Griechengasse entdeckt. Dieses besteht nur aus einem Zimmer mit einem Fenster, durch das serviert wird. Es wird von einer reizenden Crew betrieben, die einen tollen Kaffee in einer mit Schokolade glasierten Eistüte machen. also eine Empfehlung. Allgemein gesagt, einfach treiben lassen und mit offenen Augen die Stadt genießen.
Michael Sicher: Wohin gehen Sie in Wien am liebsten essen?
Marie-Béatrice Fröhlich: Wenn ich jemandem Wiener Küche empfehlen soll, dann zum Beispiel Reinthaler’s Beisl in der Dorotheergasse, direkt neben meinem Geschäft, weil es eine herrliche Küche und eine besonders herzliche Bedienung hat. Das Mangia e Ridi ist eine original italienische Osteria – Kurzurlaub mitten in Wien. Im Sommer finde ich die Terrasse vom Artner am Franziskanerplatz wunderschön. Und genauso das Kleine Café daneben. Im Café Korb gibt es definitiv die beste Kernöl Eierspeise der Stadt! In Wirklichkeit fällt sie Auswahl schwer – zu viele gute und nette Lokale!
Michael Sicher: Man findet in Wien also auf jeden Fall etwas Gutes zu essen?
Marie-Béatrice Fröhlich: Ja, man findet auf jeden Fall etwas in der Inneren Stadt. Wirklich für jede Geldbörse und für jeden Geschmack. Vom unkomplizierten Essen bis zum Luxusmahl gibt es einfach alles. Und das ist vielleicht auch das, was die Stadt ausmacht. So individuell wie der Geschmack der Menschen, sind die Geschäfte und die Lokale in der Innenstadt. Man muss sich nur die Zeit nehmen, all das zu entdecken und zu genießen – mit den Augen und mit dem Herzen.
Info:
Am 24.11. startet auf facebook und instagram unter @wieneins die neue Weihnachtskampagne der Wiener Innenstadt Kaufleute. FOLLOW – LIKE – SHARE. Und lasst Euch überraschen!