Wie die Münze Österreich vor über 800 Jahren durch Richard Löwenherz zu ihrem ersten Großauftrag kam, wo die größten Schätze in Wien zu finden sind und warum man sein Wiener Schnitzel auch künftig mit Bargeld bezahlen können wird.
Michael Sicher: Die Münze Österreich zählt zu den besten Münzprägestätten der Welt und ihre Geschichte reicht bis ins Jahr 1194 zurück. Wie kam es zu ihrer Gründung?
Gerhard Starsich: Unsere Gründung hängt mit einem Kreuzzug ins Heilige Land von Richard Löwenherz und dem damaligen Babenberger Herzog von Österreich, Leopold V., zusammen. Nach einer Streiterei wurde Richard Löwenherz in Wien gefangen genommen und vom Babenberger Herzog gegen das Lösegeld von ungefähr fünfzig Tonnen Silber wieder freigelassen, das England für seinen König aufbringen musste. Das waren seinerzeit ungefähr eineinhalb Jahre Bruttoinlandsprodukt. Also, schon anständig viel Silber. Daraufhin bekam die Münze Österreich ihren ersten Großauftrag: Die Vermünzung eines Teiles dieses Silbers. Denn die Engländer haben das Silber als liturgische Gegenstände, als Tafelgeschirr, als Barren, aber nicht als Münzen geliefert. Es wurde eingeschmolzen und daraus Wiener Pfennige geprägt. Das stelle man sich heute im Lichte von Compliance und Geldwäsche vor. Wir entführen ein befreundetes Staatsoberhaupt, mit dem wir zuerst in den Krieg gezogen sind, verlangen dann Lösegeld, und geben es dann noch der staatlichen Münzstätte zur Vermünzung. Damals wurde das offensichtlich nicht so eng gesehen. Übrigens hat die Hälfte dieser fünfzig Tonnen Silber der deutsche Kaiser Heinrich IV. kassiert, weil er meinte: „Ich bin der Kaiser, und du nur der Herzog. Damit gehört mir die Hälfte von dem Silber.“
Michael Sicher: Die Münze Österreich hat heute zwei Schwerpunkte: Anlegen und Sammeln. Wie ist es dazu gekommen?
Gerhard Starsich: Am Anfang hat man reine Zahlungsmittel produziert und war die Babenbergische Münzstätte. Als dann die Habsburger mit Rudolf I. in Österreich die Macht übernommen haben, wurden wir zur Habsburgischen Münzstätte. Immer wieder, wenn den Habsburgern wegen Kriegen oder teuren Bauten das Geld ausgegangen ist, haben sie das Münzrecht an Private verkauft. Damit wurde das Münzwesen organisatorisch zerrissen. Ein Bild von Maximilian I. hängt hier, weil er das Münzwesen wieder zusammengefasst und geordnet hat. Maria Theresia hat es im achtzehnten Jahrhundert noch einmal getan und wieder kaiserliche Münzstätten daraus gemacht. So sind wir eigentlich der Rest der Habsburgischen Münzverwaltung, die dann auch eine Prägeanstalt in Wien hatte, die heute noch besteht.
Nach dem Zusammenbruch der Monarchie wurden wir die Münzstätte der Ersten Republik und im Zeiten Weltkrieg der Deutschen Reichsbank einverleibt. Damit hat die Wiener Münzstätte als Organisationseinheit aufgehört zu existieren. Nach dem Krieg haben wir unsere Tätigkeit wieder als Teil der Finanzverwaltung ausgenommen. Sowohl in der Ersten Republik als auch am Beginn der Zweiten Republik war die Münze eine Abteilung im Finanzministerium. 1989 ist den republikanischen Herrschenden etwas passiert, was den Habsburgern immer wieder passiert ist. Ihnen ist das Geld ausgegangen und sie haben sich gedacht, wir verkaufen die Münzstätte. Also eigentlich: Wir kaufen sie. Damit haben sie dem Habsburgischen Pfad Folge geleistet und die Münzstätte an sich selbst verkauft, also an die Oesterreichische Nationalbank. Für acht Milliarden Schilling, was damals sehr viel Geld war, wurde das Münzrecht und die Münze Österreich erworben.
Michael Sicher: Was hat es mit dem Maria Theresien-Taler auf sich?
Gerhard Starsich: Ursprünglich war das eine kurante Münze, also eine Umlaufmünze. Es war die erste verbreitete Münze mit einem geriffelten Rand. Im Mittelalter wurde ein Münzprägestempel (ein Metallzylinder, in den unten das Münzbild eingraviert wurde) auf ein Silberplättchen gehalten und es wurde mit einem Hammer darauf geschlagen. Später konnte man mit Spindelpressen mit zwei Prägestempeln von oben und von unten beide Münzbilder gleichzeitig erzeugen. Dann hat man Prägeringe eingeführt. Vorher waren Münzen am Rand sehr unregelmäßig geformt und man konnte daher Silber unauffällig von der Münze abzweigen. Durch den geriffelten Rand des Maria Theresien-Talers konnte man die Münze nicht so leicht im Gewicht verändern, weil man ja das gesehen hätte. Bis vor zwanzig, dreißig Jahren war er noch eine der meistverwendeten Münzen und Zahlungsmittel im Nahen Osten und in Ostafrika. Noch heute ist er dort als Zahlungsmittel sehr verbreitet. Wir prägen sie noch immer.
Michael Sicher: Ein ganz anderes Glanzstück ist der Wiener Philharmoniker. Wie ist der entstanden?
Gerhard Starsich: Bei der Privatisierung der Münze Österreich 1989 wollten wir ein Produkt auf den Markt bringen, mit dem wir uns international bewähren können. Dafür haben wir uns für eine Goldbullionmünze entschieden, also eine Münze, die von Anlegern gekauft wird. Für eine Bullionmünze gibt es, im Gegensatz zu Sammlermünzen, kein Auflagenlimit. Man kauft Gold. Und um es in eine schöne, geprägte Form zu bringen, hat man sich für das Thema Wiener Philharmoniker entschieden. Seither gibt es eine sehr enge Kooperation mit dem Orchester der Wiener Philharmoniker, das sich damals sehr über eine eigene Münze gefreut hat. Aus diesem Anlass wurde auch die Musikinstrumentensammlung der Oesterreichischen Nationalbank ins Leben gerufen. Diese Musikinstrumente, vor allem berühmte Streichinstrumente, wie Stradivaris und Guarneris, werden den Philharmonikern und anderen Musikern von der Oesterreichischen Nationalbank gratis zur Verfügung gestellt.
Michael Sicher: Die Münze Österreich kann nicht nur auf eine lange Geschichte zurückblicken, sie ist auch ein sehr innovatives Unternehmen. Immer wieder gibt es tolle Sammler-Editionen. Wie entsteht die Idee zu einer Münze und die Münze selbst? Auf welche Technologie sind Sie besonders stolz?
Gerhard Starsich: Zurzeit ist unsere neueste Serie das „Universum“. Sie ist dreiteilig und in diesem Jahr ist der erste Teil erschienen, die Milchstraße. Die Milchstraße selbst hat die interessante Eigenschaft, dass sie in sich gewellt ist. Ein bisschen despektierlich ausgedrückt, sie sieht aus wie ein Topflappen. Deshalb haben wir eine zweifach gewellte Münze produziert, die diese Milchstraße symbolisiert und auf der sie geprägt ist. Sie war nach einer Woche ausverkauft. Es kommen noch zwei Münzen dieser Serie, nämlich der Neutronenstern und das Schwarze Loch. Beide werden wieder eine ganz spezielle Form haben. Der Neutronenstern sieht aus wie ein Sombrero und das Schwarze Loch wie ein leicht gebogener Kelch. Damit wird der Gravitationsschwerpunkt in der Mitte des Schwarzen Lochs symbolisiert. Auf diese Form sind wir besonders stolz. Denn sie ist sehr schwer zu prägen, da die Prägestempel durch diese nicht ebene Form an den Kanten und an den Wendepunkten einer speziellen Belastung ausgesetzt sind. Es hat vieler Arbeit unserer Techniker bedurft, das Bild so zu gestalten, dass die Prägestempel an den Kanten nicht reißen.
Heuer wurde noch die Serie „Die Augen der Kontinente“ gestartet. Münzen mit Tieren, die jeweils einen Kontinent, symbolisieren. Das erste Tier war die Schlange, die Australien symbolisiert. Die Augen des Tieres sind ein Swarowski-Kristall. Wir versuchen immer am Ball zu bleiben und dauernd neue Technologien und neue Prägegestaltungen zu erfinden, bei welchem die Münzsammler sagen: „Das ist ein einmaliges Produkt, das nur die Münze Österreich produzieren kann.“
Michael Sicher: Wir sprechen über so tolle Münzen, und hören gleichzeitig immer wieder, dass Bargeld abgeschafft werden soll. Wie stehen Sie dazu und wie sehen Sie die Weiterentwicklung von Bargeld?
Gerhard Starsich: Ich halte das Bargeld abzuschaffen natürlich für einen völligen Schwachsinn. Das wird vor allem von den Kreditkartengesellschaften getrieben, die sich sehr darum bemühen, dass es kein Bargeld mehr gibt, damit alles mit Kreditkarten bezahlt werden muss und sie ein Disagio dafür kassieren können. Das ist die Grundidee. Es gibt aber auch, nicht in Österreich, aber europaweit Politiker, die damit durchsetzen wollen, dass sich sozusagen ein gläserner Bürger ergibt und dass bei Steuererhöhungen und so weiter keine Flucht mehr ins Bargeld möglich ist. Ich halte das für Freiheitsberaubung. Als Münze Österreich sind wir dafür, dass es alle Zahlungsformen nebeneinander gibt. Der Konsument wird sich für die Zahlungsform entscheiden, die ihm am geeignetsten erscheint. Und für Kleinbetragszahlungen sind eben Bargeldzahlungen am angenehmsten und am einfachsten. Übrigens auch am billigsten. Wenn ich Ihnen zehn Euro gebe, kostet diese Transaktion nichts. Wenn wir eine Peer-to-Peer-Internettransaktion abwickeln, kostet das etwas. Da werden Energie verbraucht, Sicherheitsroutinen abgerufen und so weiter. Es ist wahnsinnig aufwendig für eine völlig unspektakuläre und eigentlich nur für uns zwei relevante Transaktion. Ich glaube, dass sich das nicht durchsetzen wird, weil Menschen dieses Nebeneinander an verschiedenen Zahlungssystemen wollen. Es gibt für jede Gelegenheit eine Zahlungsform, mit der sich jemand am wohlsten fühlt. Jeder Staatsbürger soll die Freiheit haben, sich für die Zahlungsform zu entscheiden, die er sich wünscht. Auch die Verbrechensbekämpfung ist kein Argument, denn auch wenn es kein Bargeld mehr gibt, wird ein wirklicher Verbrecher immer einen Weg finden, seine Verbrechenstransaktion abzuwickeln.
Michael Sicher: Haben Sie als Generaldirektor der Münze Österreich einen besonderen Bezug zu Geld?
Gerhard Starsich: Ich habe Handelswissenschaften studiert und war immer am Geldwesen sehr interessiert. Was mir in der Münze Österreich besonders gut gefällt, ist diese Verknüpfung von Geldwesen, Kreditwesen, diesen ganzen monetärpolitischen Überlegungen mit einem haptischen Erlebnis. Dass man etwas produziert, was man am Schluss wirklich in der Hand halten und sagen kann: „Das ist ein schönes Produkt, das die Kunden wollen.“ Ein Industriebetrieb ist in der Steuerung für mich interessanter und spannender als ein Betrieb, der rein virtuelle Produkte erzeugt. Ich war vorher Geschäftsführer der Zahlungsabwicklungsfirma der Österreichischen Banken. Das ist eine reine IT-technische Sache und viel schwerer greifbar. Ob ein Software-System funktioniert oder nicht, weiß man nie so genau, um ganz ehrlich zu sein.
Michael Sicher: Ein Erlebnis ist es auch, Ihre Produkte direkt bei Ihnen zu bestaunen und zu kaufen. Dazu haben Sie einen barrierefreien Shop.
Gerhard Starsich: Ja. Und mich freut natürlich besonders, wenn Tag für Tag die Kunden bei unserem Shop Schlange stehen, weil das für mich die Bestätigung ist, dass wir etwas tun, was sich die Menschen wünschen. Und wenn neue Münzen erscheinen, an so genannten Ausgabetagen, kommen manchmal die ersten Kunden schon um vier in der Früh, um sicher ein Produkt zu ergattern.
Michael Sicher: Wenn Sie Gäste haben, zeigen Sie Ihnen bestimmt Ihren sehr schön gestalteten Shop. Was zeigen Sie Ihnen in Wien noch?
Gerhard Starsich: Mit Besuchen gehe ich sehr gerne in die Schatzkammer in der Hofburg. Das kommt immer gut an und ist ein persönliches Steckenpferd von mir. Es gibt zwar in vielen anderen Städten und Kulturen Schatzkammern, aber die Wiener Schatzkammer ist eine der geschichtsträchtigsten, weil dort auch die Kroninsignien des Deutschen Reiches, also des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, aufbewahrt werden. Denn die Habsburger waren die letzten Herrscher dieses Reiches. Man kann Schätze wie die Deutsche Kaiserkrone, also die Ottonische Reichskrone mit den acht Platten und dem Herrscherbügel und dem Kreuz, oder das Reichsschwert, das Schwert des Deutschen Reiches, das angeblich nicht rosten kann, bestaunen. Ich frage mich immer, ob das stimmt oder ob sie es heimlich putzen. Aber man beschwört, es rostet nicht. Oder die Heilige Lanze, in der angeblich ein Nagel des Kreuzes von Jesu Christi verarbeitet ist. Es sind dort sehr mystische, tolle Gegenstände ausgestellt.
Und es gibt ein paar lustige Ausstellungsgegenstände. Zum Beispiel das Horn des letzten Einhorns, das in Wirklichkeit ein Narwalzahn ist. Das wäre sehr unpraktisch, weil er ziemlich lang ist und das Einhorn damit im Wald oft hängen bleiben würde. Dann gibt es eine Achatschale, die als Heiliger Gral gesammelt wurde. Also als Gefäß, mit dem das Blut Christi aufgefangen wurde. Man weiß aber, dass es nicht so ist. Es ist jedoch eine sehr schöne, beeindruckende Achatschale, die sicher siebzig, achtzig Zentimeter im Durchmesser hat. Die Schatzkammer ist sehr schön gestaltet von der Beleuchtung sehr schön gemacht. Das gefällt allen.
Besonders cool sind die Katakomben unter dem Stephansdom. Da erzähle ich immer die Geschichte, dass die Habsburger, wenn sie begraben wurden, in drei Teile zerteilt worden sind. Die Körper sind in der Kapuzinergruft, die Eingeweide sind unter der Stephanskirche in den Katakomben und die Herzen in der Augustinerkirche in der Herzerlgruft. Ein bisschen spooky, oder? Eine Begräbnisstätte der Herrscher wie die Kapuzinergruft ist mit so tollen Sarkophagen weltweit einzigartig. Am liebsten zeige ich also die Schatzkammer, den Stephansdom samt Katakomben und die Kapuzinergruft.
Viele Gäste gehen auch gerne in die Oper oder in den Musikverein. Deshalb gehen wir hin und wieder mit Gästen zu einem schönen Konzert von den Philharmonikern in den Musikverein. Damit schließt sich der Kreis wieder.
Michael Sicher: Das ist ja ein schönes Programm. Wo stärken Sie sich dann?
Gerhard Starsich: Es gibt in Wien zwei Lokale, die ich sehr gerne besuche. Touristen wollen zwei Sachen essen: Schnitzel und Tafelspitz. Da frequentieren wir entweder die Meierei vom Steirereck oder das Restaurant Plachutta [Anm.: Leider nicht barrierefrei]. Es gibt bei beiden sehr gute Schnitzel und sehr guten Tafelspitz. Und eine Sachertorte im Kaffee Sacher, das lieben alle. Die Klassiker kommen am besten an. Außerdem können die Gäste dann ihre Reiseführer abarbeiten.