Interview

Französisches Flair im Beaulieu Im Gespräch mit Martin Pichlmaier

Ein Stück Frankreich in Wien. Mit Martin Pichlmaier im Beaulieu über seine Entscheidung sein eigenes Lokal "Pichlmaiers zum Herkner" zu eröffnen, die österreichische Küche im Laufe der Jahreszeiten und ein gutes Glas Wein. 

Michael Sicher: Das Bistro “Beaulieu” im Palais Ferstel hat schon aufgrund seines Namens das Potenzial ein Lieblingsplatz zu sein. Wie hast du es entdeckt und warum ist es einer deiner Lieblingsplätze?

Martin Pichlmaier: Ich wohne hier im ersten Bezirk und habe auch sehr lange hier gearbeitet und mir meine Platzerl gesucht. Am “Beaulieu” schätze ich die Qualität und die Einfachheit dieses Bistros. Und am liebsten frühstücke ich hier, manchmal mit meiner Frau, manchmal ohne sie, weil ich es einfach genieße, alleine hier zu sitzen und Zeitung zu lesen. Es gibt Baguettes, Croissants, einen genialen Beinschinken, ausgezeichneten Käse und einfach geniale französische Grundprodukte. Eine Stunde hier bedeutet für mich eine Ruhephase.

Michael Sicher: Hast du generell einen Bezug zu Frankreich?

Martin Pichlmaier: Eigentlich nein, außer zum französischen Wein. Ich kann zwar als Steirer alles nicht aussprechen, und spreche kein Französisch, aber irgendwann führen alle Wege beim Wein und der Kulinarik nach Frankreich. Und dann kommt man dorthin und stellt fest, dass der Wein einfach der Beste ist. Aber ich schätze jeden Wein, bin zwar kein Sommelier, beschäftige mich aber schon lange damit.

Michael Sicher: Du warst zwölf Jahre im Fabios, einem der bekanntesten Restaurants in Wien, und dort neun Jahre Restaurantleiter. Danach hat es dich in die Selbstständigkeit getrieben?

Martin Pichlmaier: Als ich damals nach Wien gekommen bin, habe ich mir geschworen, mich nie selbstständig zu machen. Ich war zwar jahrelang in einer Führungsposition, habe aber dann doch gespürt, dass es mich doch reizt, mein eigenes Ding zu machen. Obwohl ich mir der Risiken bewusst war, weil ich miterlebt habe, dass meine Eltern nach 34 Jahren Selbständigkeit in der Gastronomie in Ausgleich gegangen sind. Aber es hat mich innerlich so getrieben. Ich war einmal auf der Rax wandern und da habe ich so richtig bemerkt, jetzt ist der Drang da mich selbständig zu machen. .

Michael Sicher: Was war das für ein Drang? 

Martin Pichlmaier: Ein Drang, Entscheidungen zu treffen. Zu sagen: „Das ist meine Entscheidung, damit muss ich leben.“ Das ist das Befreiendste an dem Ganzen. Du musst schon viel einbringen, deinen Gästen gegenüber, deinen Lieferanten gegenüber, deinen Mitarbeitern gegenüber. Dann ist es befreiend zu sagen: „Hier ist jetzt stopp! Das ist meine Entscheidung über die Firma.“ 

Aber davor war noch ein Jahr „Shiki“. Ich bin also vom Nobel-Italiener zum Nobel-Japaner gewechselt. Das war für mich ein sehr lehrreiches Jahr. Wobei ich zuvor jedoch schon mit dem Eigentümer vom Herkner gesprochen habe, wir uns aber noch nicht einig geworden sind und ich es inzwischen wieder abgehakt habe. Dann habe ich mich gefragt: „Was interessiert mich?“ Und das war der asiatische Bereich, von dem ich wusste, dass ich dafür, außer als Gast, keinen Plan habe. Über Umwege bin ich dann zu Herrn Hattori gekommen, der das Shiki eröffnet hat. Ich habe es ein halbes Jahr vor der Eröffnung und ein halbes Jahr nach der Eröffnung begleitet. Das war eine wichtige Erfahrung für mich, weil ich von Grund auf dabei war. Von der Baustelle, über das auswählen der Gläser bis zur Mitarbeitersuche. Das hat mir extrem geholfen. Es war sehr interessant den Unterschied zu erleben: Vom temperamentvollen Italiener, der viel improvisiert und immer noch irgendetwas geht, zur japanischen Mentalität, die ich überhaupt nicht kannte: Dieses extrem exakte, das ganz ruhige. Japaner muss alles perfekt machen, er macht nicht gerne Fehler. Damit musste ich erst lernen umzugehen. Und da war wieder dieser Drang zur Selbstständigkeit. Manchmal fühlte ich mich bei Entscheidungen eingeengt, weil ich hin und wieder gedacht habe, dass ich dieses oder jenes anders machen würde. Da war für mich klar: „Ich bin kein Italiener und ich bin kein Japaner.“

Der Herkner hat mich also nicht losgelassen und ich bin mir mit dem Eigentümer noch einig geworden. Und zusammen mit einem Freund, der mir dabei sehr geholfen hat, haben wir in zwei Monaten den Herkner eröffnet.

Michael Sicher: Also zurück zu den österreichischen Wurzeln und der bodenständigen Küche. Was macht für dich die österreichische Küche aus?

Martin Pichlmaier: Ihre Vielfältigkeit. Sie deckt eigentlich alles ab: von den Bundesländern die Spezialitäten und, was man nicht glaubt, sehr viel Gemüse. Wir machen zum Beispiel klassisch einen Karfiol mit Butterbrösel, den man sonst nirgends mehr bekommt. Zuerst hatte ich Angst, dass die Leute sagen: „Den mache ich mir zu Hause selber.“ Aber das Gericht ist so einfach, dass sie sich sagen: „Das erinnert mich an meine Kindheit.“

Und wir haben ausgezeichnete Süßwasserfische, von der Reinanke über Forelle bis hin zum Zander. Wir bieten zeitgemäße, österreichische Küche und dafür ist mir Regionalität wichtig.

Natürlich gibt es auch die klassische Wiener Küche, die schwer ist. Ein Wiener Schnitzel bleibt eben ein Wiener Schnitzel. Das muss aber perfekt gemacht sein.

Die österreichische Küche hat das ganze Jahr etwas zu bieten: im Frühjahr den Bärlauch, den Spargel, die Schwammerl, im Sommer das ganze Gemüse, und im Herbst kommt der Kürbis und Wild. Danach, eine der wichtigsten Zeiten: Die Ganslzeit. Im Winter die Erdfrüchte: die Rüben, Schwarzwurzel, Pastinake.

Michael Sicher: Was ist eure Spezialität?

Martin Pichlmaier: Bei uns sind es die Krautfleckerl. Für die sind wir mittlerweile sehr bekannt, denn wir machen sie selbst und schon ein bisschen anders. Wir machen die Nudeln selbst und lassen die Fleckerl etwas größer. Aber es kommt ja auf das Kraut an, das wir besonders zubereiten. Auch das Wiener Schnitzel aus der Pfanne, ist für uns sehr wichtig.

Michael Sicher: Kochst du privat selbst, oder gehst du essen?

Martin Pichlmaier: Beides. Ich bin übrigens der einzige in meiner Familie, der kein gelernter Koch ist. In meiner Jugend hatte ich überhaupt keinen Bezug zur Küche. Ich habe immer nur große Küchen vor mir gehabt, aber ich habe sie wirklich nicht gemocht. Mittlerweile bin ich leidenschaftlicher Hobbykoch. Beim Kochen denke ich an nichts, außer an die Furcht, dass es nichts wird. Sehr gerne koche ich Pasta. Und so ein richtiges Sugo das geht nicht einfach. Du hast in 20 Minuten keine Bolognese. Du hast in einer Stunde keine Bolognese. Eine gescheite, die muss Minimum zwei Stunden kochen. Das ist wie beim Gulasch. Und da musst du so viel Leidenschaft hineinbringen. Also das koche ich irrsinnig gerne.

Michael Sicher: Gehört für dich zu einem guten Essen auch ein gutes Glas Wein?

Martin Pichlmaier: Ja, Ich trinke irrsinnig gerne guten Wein, sehr guten Wein. Beim Herkner haben wir 130 Positionen auf der Weinkarte. Der Schwerpunkt liegt auf österreichischen Wein, der großartig und genial ist, und natürlich schön und wirklich gut zu trinken. Privat interessiere ich mich derzeit mehr für internationale Weine. Besonders deutscher Wein ist ein ganz großes Thema, weil ich ihn wirklich sehr gut finde. In Deutschland gibt es zum Beispiel großartige Weißburgunder und Grauburgunder, sowie Sauvignon Blancs. Es ist ein sehr umfangreiches Thema und ich bewundere Sommeliers, die ihre ganze Leidenschaft in ihrem Beruf einbringen.

Michael Sicher: Du hast beim Herkner eine ganz tolle, barrierefreie Toilette eingebaut. Ist Barrierefreiheit auch ein „Wettbewerbsvorteil?“

Martin Pichlmaier: Der Herkner ist eine Institution in Wien, die über Generationen bekannt ist. Natürlich zieht er auch ältere Gäste an, die im Rollstuhl oder mit einem Rollator kommen. Deshalb war es mir wichtig, das Lokal so weit wie möglich auch barrierefrei zu gestalten. Leider haben wir keinen Lift in den ersten Stock, was bei Veranstaltungen natürlich ein Thema ist. Aber der untere Bereich ist sehr gut erreichbar und man kann gemütlich in der Gaststube oder im schönen Innenhof sein Essen genießen. Ich habe erst gestern wieder mit einem sehr lieben Freund und Stammgast, der im Rollstuhl sitzt, gesprochen. Für ihn ist die barrierefreie Toilette auch ein wichtiger Grund zu uns zu kommen, denn es gibt noch viel zu wenige Lokale, die damit ausgestattet sind. So gesehen ist es durchaus ein Vorteil.

Michael Sicher: Wenn dich Freunde besuchen, was zeigst du ihnen in Wien?

Martin Pichlmaier: ich versuche ihnen die Vielfältigkeit von Wien zu vermitteln. Einerseits dieses Noble und Schöne der Innenstadt, den 17. Bezirk, die Alte Donau, die als Erholungsgebiet herrlich ist. Sie sollten unbedingt auch den Wienerwald kennenlernen, wo die Gegend schon einen ländlichen Charakter hat. Neben den bekannten Sehenswürdigkeiten wie Stephansdom und Riesenrad, würde ich die kleinen Gassen, wie zum Beispiel die Blutgasse, zeigen. Die finde ich extrem schön. Ich gehe sehr gerne mit offenen Augen durch die Stadt und sehe gerne hinauf um die wunderschönen Dächer zu bewundern. Aber auch der Kurpark Oberlaa ist einen Besuch wert, wenn man gerne in einem schön angelegten Park spazieren geht. Wien hat einfach extrem viel zu bieten. Ich bin Steirer, das werde ich immer bleiben, aber ich bin seit 2001 in Wien und fühle mich mittlerweile sicher mehr als Wiener, als wie als Grazer. 

Martin Pichlmaier und Michael Sicher am 24. August 2018 im Beaulieu, 1010 Wien, Herrengasse 14